Boom ´70
Sonderausstellung des Touriseums in der Remise von Schloss Trauttmansdorff

Um 1900 erleben die Kur- und Sommerfrischorte des südlichen Tirols bereits einen ersten touristischen Höhepunkt. In der Peripherie Südtirols kommt der Tourismus hingegen erst mit der Verbreitung des Individualverkehrs in den 1950er-Jahren in Schwung. Zwischen 1970 und 1980 steigen die Nächtigungszahlen von zehn auf 20 Millionen – die Geburtsstunde des modernen Massentourismus. In rasantem Tempo verändern sich Lebensraum und Alltagswelt der Südtiroler Bevölkerung. In der Ausstellung erzählen Akteurinnen und Akteure, wie sie diese prägende Zeit des Wandels erlebt haben.
Ab 5. Juni 2025 zeigt das Touriseum in der Remise von Schloss Trauttmansdorff eine Ausstellung über den rasanten Tourismusaufschwung der 1970er-Jahre.
Während die Kur- und Sommerfrischeorte im südlichen Tirol bereits um 1900 einen ersten touristischen Höhepunkt erlebten, erreichte der Tourismus die entlegenen Bergdörfer und Hochtäler Südtirols erst mit der Verbreitung des Individualverkehrs in den 1950er-Jahren. Vor allem deutsche Gäste entdeckten nun auch diese abgelegenen Regionen. Für die ländliche Bevölkerung, die noch unter bescheidenen Bedingungen lebte, bot sich eine willkommene neue Einkommensquelle. Meist waren es die Bäuerinnen, die die privaten Zimmer der Familie an die Urlauber:innen vermieteten und damit den Grundstein für einen rasanten touristischen Aufschwung legten. Zwischen 1970 und 1980 verdoppelten sich die Nächtigungszahlen von zehn auf 20 Millionen – der moderne Massentourismus war geboren. In atemberaubendem Tempo veränderten sich Lebensraum und Alltagswelt der Südtiroler Bevölkerung und während es vielen nicht schnell genug ging, fühlten sich andere von den Entwicklungen überrollt.
Die neue Sonderausstellung im Touriseum lädt dazu ein, diese spannende Zeit des Wandels durch die Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nachzuerleben. An sechs Themeninseln berichten sie vom Aufeinanderprallen gegensätzlicher Welten: Industrie versus Fremdenverkehr, Armut versus Moderne, Kirche versus Bikini – sowie von den Bedürfnissen der Gäste, die oft im Gegensatz zu denen der Kinder standen. Die Erzählungen gewähren Einblick in die Entscheidungen, die zur Förderung des Tourismus in den ländlichen Gebieten führten, in die ersten Begegnungen mit Gästen, die vor allem Frauen eine neue Rolle als Gastgeberinnen eröffneten, und in die freundschaftlichen Beziehungen mit den Menschen aus den großen Städten, die den bäuerlichen Familien ein „Fenster zur Welt“ boten. Und sie berichten auch von den Herausforderungen, die der touristische Aufschwung mit sich brachte: Gleichzeitig thematisieren sie auch die Herausforderungen des touristischen Aufschwungs: den Verlust der Privatsphäre, den Einfluss neuer Lebensstile, eine rasante Bautätigkeit sowie ausbeuterische Arbeitsbedingungen.
Die Interviewausschnitte stammen aus über 70 Gesprächen, die 2024 und 2025 im Rahmen des Forschungsprojekts „Tourismus in Südtirol 1961 bis 1983“ für das Touriseum geführt wurden. Die umfassenden Ergebnisse werden im Herbst 2025 in einer Publikation veröffentlicht, die das Ausstellungsthema vertieft.
Neben den erzählenden Stimmen illustrieren ausgewählte historische Objekte aus den 1970er-Jahren diese Umbruchszeit in der Ausstellung – von touristischen Werbeplakaten über persönliche Erinnerungsstücke bis hin zu skurrilen Alltagsgegenständen aus der Welt der Privatzimmervermietung, wie etwa einem tragbaren Plastikbidet.
Durch die spannende Perspektive der Akteur:innen zeigt die Ausstellung, wie die Entwicklungen der 1970er-Jahre Südtirol zu der Tourismusdestination geformt haben, die es heute ist, und lädt zugleich dazu ein, über die Gegenwart und Zukunft des Tourismus in Südtirol nachzudenken.
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